Das Jahr 2023 ist vorbei, ein neues Jahr hat begonnen. Doch bevor es heißt "volle Kraft voraus mit Elan in 2024" erfolgt für mich eine Zeit des Rückzugs, des Winterns, Zeit des Loslassen, Wurzelzeit, wie Gerlinde von Linografie so schön sagt. Der Winter ist die Zeit des Rückzugs, der Gemütlichkeit auf den Sofas und Betten, in der wohligen Wärme meines Zuhauses. Oft denke ich an den Beginn des Jahres 2023 zurück, die sehr intensiv und herausfordernd gewesen ist - vielleicht die dunkelste Zeit meines Lebens.
In der ersten Jahreshälfte habe ich mich nur mir selbst gewidmet - dem tiefen Wunsch zu heilen folgend. Auf dem Blog, in meiner beruflichen Selbstständigkeit, in meinem sonstigen Leben war in dieser Zeit nichts los. Manchmal liegen Teile unseres Leben brach, um anderen unsere gesamte Energie schenken zu können. Wir brauchen diesen Rückzug in den eigenen Kokon, um wieder zu Kräften zu kommen, um dann dem Leben mit neuer Energie zu begegnen.
Januar
2023 begann für mich auf der Dermatologie der Uniklinik Köln - in der 12. Etage begrüßen Tobi und ich das neue Jahr mit einem perfekten Blick auf das Feuerwerk in Köln. Wirklich empfänglich für die bunten Lichter und die hoffnungsvolle Energie, die Silvester mit sich bringt, war ich nicht: denn kurz vor Mitternacht war ich stationär aufgenommen worden mit der Diagnose Gürtelrose und Eczema Herpeticatum - Herpesekzem.
Begonnen hatte dies einige Tage zuvor mit einer sehr schmerzhaften und nässenden Wunde am Kinn. Einen Tag später entdeckte ich an meiner linken Schulter einen Ausschlag, der sehr nach Herpes aussah. Der Besuch beim Arzt bestätigte die Vermutung: Gürtelrose. Den Ausschlag in meinem Gesicht hielt ich für einen heftigen Neurodermitisschub. Mein gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich, mein Gesicht schwoll an und ich konnte mehrere Tage nicht schlafen. Irgendwann habe ich richtig Angst bekommen und am Silvesterabend beschlossen, in die Klinik zu fahren. Eine gute Entscheidung! Ich blieb für zehn Tage auf Station - drei mal am Tag Infusionen mit Aciclovir und einer Antibiose, dazu Schmerzmittel. Ich konnte wieder schlafen und langsam ging es mir besser. Die Wunden im Gesicht trockneten ein, der Schorf fiel ab und mein Gesicht kam wieder zum Vorschein. Nach zehn Tagen wurde ich aus der Klinik entlassen - ohne Herpes, dafür aber ganz schön mitgenommen. Im Krankenhaus wurden die körperlichen Symptome behandelt, auf seelischer Ebene fühlte ich mich sehr allein.
Nachdem ich wieder Zuhause war, plante ich zusammen mit Tobi eine Reise nach Indien - ich hatte schon lange die Idee, eine Pancha Karma Kur zu machen, um mein Immunsystem zu stärken und wieder gesund zu werden. Ich buchte einen Flug und ein Treatment in Kerala und freute mich darauf - ich hatte Hoffnung, dass es nun wieder bergauf gehen würde.
Doch das Herpes hatte eine andere Idee - einen Tag, bevor ich abreisen sollte, entdeckte ich an meinen Händen neue Bläschen und auch der Schmerz war wieder da. Ich wurde erneut in der Uniklinik stationär aufgenommen. Diesmal für sieben Tage. Was diesen Aufenthalt herausfordernder als den ersten machte, war, dass meine Venen absolut keine Lust mehr auf die Infusionen hatten - zusätzlicher Schmerz und langsam laufende Infusionen waren die Folge. In dieser Zeit überlegte ich, wie es nun weiter gehen sollte. Die Ärzte sprachen von Lichttherapie und von einem neuen Medikament, dass in den Entzündungsmechnismus des Körpers eingreift. Für mich beides nicht wirklich Optionen - ich war und bin davon überzeugt, dass der Körper heilen kann. Und ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust, den Rest meines noch sehr langen Lebens, mir ständig Medikamente zu spritzen.
Ich erinnerte ich mich an meine Freundin Sabine, die sich einst für ihr Pancha Karma Treatment nach Sri Lanka aufmachte. Ich bekam von ihr die Nummer des dortigen Chefarztes und telefonierte mit ihm. Ich beschrieb ihm meinen Krankheitsverlauf und meine Symptome. Natürlich auch meine Ängste und Sorgen. Ich fühlte mich bei ihm gut aufgehoben und beschloss daraufhin, die Kur in Kerala abzusagen und stattdessen nach Sri Lanka zufliegen.
Zusammen mit Tobi buchte ich einen Flug, machte das Treatment fest und packte meinen Rucksack erneut. Und erneut kam das Herpes zurück - diesmal am Morgen meiner Abreise. Ich hatte zwei Möglichkeiten: zurück in die Uniklinik oder auf nach Sri Lanka. In mir spürte ich, dass ich natürliche auf die Reise gehen wollte. Gleichzeitig hatte ich ziemliche Angst vor der Reise und dem Verlauf der Behandlung. Tobi ermutigte mich, den Sprung zu wagen und auch der Arzt im Nature Lanka ermutigte mich, in sein Resort zu kommen. Und so ging es los - Tobi flog am selben Tag nach Indien - wir verabschiedeten uns am Flughafen in Frankfurt.
Februar
In Sri Lanka angekommen fühlte ich mich verängstigt, müde und leblos - das Herpes wuchs und wuchs - diesmal an Handgelenken, Ellenbogen und Knien. Hatte ich die richtige Entscheidung getroffen, als ich nach Sri Lanka reiste? Ich hatte so viel Angst. Angst, dass ich nicht heilen würde, dass es nicht besser werden würde. Angst vor dem Schmerz, Angst vor den Wunden, Angst vor meinen Gedanken.
Ich spürte, wie meine Angst das Herpes nährte, wie das Virus mein System übernahm. Ich spürte seine Präsenz in mir und spürte, dass ich es einfach da sein ließ. Dass ich nicht auf dem Fahrersitz saß, sondern eher auf der Rückbank, im Kofferraum oder gar in der Dachbox.
Da in diesem Zustand kein Pancha Karma Treatment möglich ist, bekam ich in den ersten zwei Wochen Kräuterbäder und -pasten, um die äußeren Symptome des Herpes zu lindern. Teil der Behandlung ist außerdem das auf mein Dosha abgestimmte Essen sowie Medikamente auf Pflanzenbasis. Langsam verbesserte sich mein Zustand. Oft kam ich aus der Badewanne und spürte den Schmerz der vergangenen Wochen in mir - Emotionen lösten sich und ich wunderbare Tränen schwärmten alles nach draußen.
Es war ein unglaublich langer Prozess - ich hatte so viel Zeit mit mir und meinen Gedanken: Ich fühlte mich so schwach, dass ich nichts machen konnte. Auch in die Sonne konnte ich nicht gehen. So saß ich mit mir, meinen ewig kreisenden Gedanken und dem Schmerz.
In einem Moment hatte ich dann eine Erkenntnis, die mir geholfen hat, mit meiner Situation umzugehen: Mir wurde bewusst, dass der Schmerz einfach nur gefühlt werden möchte. Dass er angenommen und anerkannt werden möchte. Bis dahin hatte ich mich stets darauf fokussiert, ihn loszuwerden. Gesund zu werden, zu heilen. Doch diese Erkenntnis brachte mir die Möglichkeit, den Schmerz anzunehmen, ihn da sein zu lassen und weich zu werden. Die Emotionen und Gefühle, die der Schmerz mit sich bringt, anzunehmen. Mit ihnen zu sein und sie zu fühlen.
Nach und nach ging es mir besser. Nach zwei Wochen war das Herpes so weit verheilt, dass die eigentliche Pancha Karma Kur beginnen konnte. Es gibt insgesamt fünf Behandlungen, die das Ziel haben, den Körper zu reinigen und von Giftstoffen zu befreien. Ich habe davon die folgenden erlebt: Reinigung des Darms durch Abführen, induziertes Brechen, Nasendusche mit Öl und Einläufe ebenfalls mit Öl. Der Körper wird auf diese Maßnahmen vorbereitet durch intensive Ölmassagen sowie die dem Dosha entsprechende Ernährung.
Die für mich intensivste Erfahrungen waren die Nasenreinigung sowie das angeleitete Übergeben. Neben dem Inhalt meiner Nasennebenhöhlen und meines Magens kamen alte Erinnerungen und Gefühle zum Vorschein, die ich nun gehen lassen konnte.
Nach insgesamt fünf Wochen Aufenthalt im Nature Lanka spürte ich, dass die Zeit gekommen war, meine Behandlung zu beenden. Ich war bereit für die Reise nach Indien, bereit Tobi zu treffen und meine neuerworbene Gesundheit auf die Probe zu stellen.
März
Wir treffen uns in Goa und verbringen eine Woche in einem Yoga Retreat: Meditation und Asanapraxis, nährendes Essen, Pranayama, Karma Yoga und gemeinsame Ausflüge zu Stränden, Flüssen, Bergen.
Ich bin so steif wie noch nie in meinem Körper und gleichzeitig dankbar für das Privileg, in der Wärme Yoga praktizieren zu dürfen und zu beobachten, wie Sanftheit und Flexibilität in meinen Körper zurückkehren. Wie ich langsam wieder zu Kräften komme.
Von Goa reisen wir nach Varanasi und dann weiter mit dem Zug nach Rishikesh. Dort haben wir eine Holzhütte in den Bergen, umgeben von Bäumen, blauem Himmel und klarer Luft. Und - trotz aller Vorsicht - begleitet von Magen-Darm-Krankheit.
Eingekuschelt in den Bergen überlege ich, wie es mit dem Leben in Deutschland weiter gehen wird. Ich spüre, dass es an der Zeit ist, eine Entscheidung zu treffen: Seit einer Weile sehne ich mich danach, ein eigenes Zuhause zu haben. Einen Ort zum Wurzeln schlagen und Ankommen. Schließlich entscheide ich mich, nach der Rückkehr nach Deutschland, nach Leipzig zu ziehen, in eine eigene Wohnung. Keine Zwischenmieten mehr, keine fremden Möbel, kein fremder Stuff in fremden Regalen. Ich freue mich darauf, meine eigenen Sachen wieder aus ihren Kisten zu holen und darauf, mich zu erden und zu verwurzeln.
Danke, dass du mich auf meiner Reise begleitest.
In Liebe
Anna
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